Das WIPIG-Interview mit Margit Schlenk zum Thema "Die globale Erderwärmung und der Klimawandel bringen neue medizinische Herausforderungen mit sich."
Die globale Erderwärmung und der Klimawandel bringen neue medizinische Herausforderungen mit sich. Bereits auf der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker im Jahr 2022 in München diskutierten die Delegierten über die zukünftige Arzneimittelversorgung und das Gesundheitswesen im Zeichen des Klimawandels.
Wir sprachen mit Margit Schlenk, Inhaberin der NM-Vitalapotheke, Neumarkt in der Oberpfalz, und der Moritz-Apotheke, Nürnberg, über die Thematik.
Hitzewellen, Überschwemmungen, anhaltende Trockenheit in ganz Europa - welche zusätzlichen Herausforderungen kommen aus Ihrer Sicht durch den Klimawandel auf die öffentlichen Apotheken zu?
Die Stellung der öffentlichen Apotheke ist ganz wichtig und wird gestärkt, weil wir diejenigen sind, die bei der pharmazeutischen Dienstleistung Medikationsanalyse erkennen können, wer durch seine Medikamente hitzegefährdet ist. All diejenigen, die z. B. entwässernde Arzneimittel oder Blutdruckmedikamente einnehmen und natürlich alle Personen, die gefährdet sind zu dehydrieren, zum Beispiel unsere alten Menschen - die Apotheke kann hier wichtige Tipps geben. Und noch dazu ist jede Apotheke in Deutschland ein sogenannter kühler Ort, denn jede Apotheke muss unter 25 Grad klimatisiert sein und während der Öffnungszeiten kann jeder kommen, sich kurz hier aufhalten und etwas abkühlen, natürlich auch ein Glas Wasser bekommen und auf seine Gesundheit in der Hitze in der Vor-Ort-Apotheke achten.
Stichpunkt „Hitze“: Im Juli dieses Jahres wurden mehrere Tage hintereinander die heißesten Tage auf der Erde gemessen, ein Grund zur Sorge, auch in Bezug auf unsere Gesundheit, denn gerade ältere Menschen leiden besonders unter den Folgen von Hitze. Wie kann man in der Apotheke die Menschen darauf vorbereiten?
Indem wir speziell für hitzegefährdete Menschen aktiv Materialien auslegen und anbieten zum richtigen Umgang mit der Hitze. Denken Sie an Tipps zum richtigen Trinken, zum Aufenthalt in kühlen Räumen, zum richtigen Zeitpunkt für Aktivitäten - Stichwort Siesta über die Mittagszeit. All diese Themen können von der Vor-Ort-Apotheke bedient werden und wir können die Menschen auch aktiv auf diese Thematiken ansprechen und informieren.
Das Auftreten von Bakterien, Viren und Pilzen ist stark abhängig von den jeweiligen Umweltbedingungen. Pathologische Erreger, die bisher in Europa noch nicht in Erscheinung getreten sind, treten nun - wenn auch bisher vereinzelt - auf. Auf was müssen wir uns zukünftig einstellen - welche Änderungen ergeben sich für die öffentlichen Apotheken?
Wir haben mittlerweile invasive Tierarten, die es vorher in Deutschland noch nicht gab wie zum Beispiel die Tigermücke, die dann auch weitere neue Erreger nach Deutschland einschleppt und bereits nachgewiesenermaßen eingeschleppt hat, wie zum Beispiel Viren, die das Dengue-Fieber auslösen. Und so kommt es, dass wir mit immer mehr unsichtbaren Feinden zu kämpfen haben. Auch neue Viren und Bakterien, die sich in Zecken finden, sind hier zu nennen und man muss sich darauf einstellen, dass wir mehr Abwehr betreiben müssen, um Stechinsekten vom menschlichen Körper abzuhalten, aber eben auch sensibilisiert sein müssen, dass es nirgends Pfützen oder Wasseransammlungen gibt, in denen sich diese Erreger zum Beispiel vermehren können.
Durch den Klimawandel ist mit einem Anstieg von respiratorischen, kardiovaskulären, renalen und kognitiv-psychischen Erkrankungen zu rechnen. Zudem werden sich für Europa Änderungen hinsichtlich Art und Häufigkeit von Infektionskrankheiten ergeben. Wie können wir uns in der Apotheke darauf vorbereiten?
Indem wir wiederrum insbesondere die gefährdeten Menschen ansprechen, also multimorbide Menschen, die vielleicht schon Diabetes oder Bluthochdruck haben, damit diese die Vorsichtsmaßnahmen zum Verhalten bei Hitze auch einhalten. Zudem müssen wir auch Prävention betreiben, indem wir Menschen, die eine familiäre Veranlagung für Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und ähnliches aufweisen, auf ihr zukünftiges Verhalten ansprechen durch Präventionsangebote, die flächendeckend von den Vor-Ort-Apotheken angeboten werden, also sprich gesunde Ernährung, Bewegung der richtigen Art sowie zur richtigen Zeit, also leichter Ausdauersport und eben kein Kraftsport, der dann in den frühen Morgenstunden oder alternativ am Abend, wo es dann schon wieder kühler ist, ausgeübt wird. Präventionsmaßnahmen, die dazu beitragen, die erhöhten kardiovaskulären Risikosituationen per se zu minimieren.
Die Arzneimittelversorgung in Deutschland ist stark reglementiert - wie kann das Thema „Nachhaltigkeit“ dennoch in der Apotheke forciert werden?
Das Thema Nachhaltigkeit kann in der Apotheke forciert werden, indem man an allen Ecken und Enden kritisch hinterfragt, wo kann ich Plastik einsparen oder Kartonagen, dass man sich keine Dekorationen zuschicken lässt, die man dann letztendlich nicht braucht, dass man Verpackungsmüll reduziert, indem man die Menschen motiviert, Stofftaschen mitzubringen und natürlich auch die Abgabe von Tüten einstellt bzw. diese kostenpflichtig abgibt, denn damit kann man auch Verhaltensänderungen bewirken. Natürlich muss auch das Thema Arzneimittellieferungen kritisch hinterfragt werden, man muss kurze Wege in Betracht ziehen, unter Umständen die Lieferung mittels E-Auto je nach Möglichkeit erwägen und grundsätzlich sehr aufmerksam sein, wo Strom und Energie verbraucht wird und analysieren, welche Maßnahmen dazu beitragen können, diesen Verbrauch zu minimieren - Stichwort LED-Leuchten, Ausstecken von Gerätschaften, Schalter offline stellen, das richtige Lüftungsmanagement, damit die Klimaanlage nicht so viel arbeiten muss, all das trägt schon dazu bei. Hier heißt es einfach, das Thema grundsätzlich aufmerksam betrachten. Hier kann und muss jeder mitarbeiten und seine Ideen einbringen. Die Summe ist entscheidend, denn Kleinigkeiten werden zu großen Effekten aufsummiert.
Liebe Frau Schlenk, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Im Übrigen:
Für das 2. Fortbildungshalbjahr 2023 hat die Bayerische Landesapothekerkammer das Thema Klimaschutz in Form eines Web-Seminars „Klimawandel und Risikogruppen“ (10.10.2023 sowie 13.11.2023) aufgegriffen. Einen Vortrag für Schülerinnen und Schüler mit dem Titel „Arzneimittel und Umwelt“ stellt das WIPIG den bayerischen Kammermitgliedern zur Verfügung.